Die Grenzen des Siebengebirges

Wir wandern im Siebengebirge, wir sitzen auf seinen Gipfeln und erfreuen und an den grandiosen Ausblicken über das Rheintal, die Niederrheinische Bucht und die Eifel. Wir reden über das Siebengebirge und wir lesen Bücher darüber. Aber wenn wir konkret werden sollen, dann wird es schwierig. Was genau ist denn das Siebengebirge? Wo fängt es an, wo hört es auf? Bei meinen Recherchen zu diesem Thema musste ich feststellen: niemand weiß das. Hat das Siebengebirge keine Grenzen? Ist es ein schwammiges Gebilde, das an seinen Rändern eher vernebelt durch die Geografie wabbert?
Beim Naturpark weiß man nichts genaues. Es gibt den Naturpark, der hat einen exakt definierte Grenze. Aber der Naturpark ist nicht das ganze Siebengebirge.
Beim VVS kennt man das Naturschutzgebiet. Das ist kleiner als der Naturpark, am liebsten würde man dort sicherlich zurecht das ganze Siebengebirge unter Naturschutz stellen – aber: was ist denn das ganze Siebengebirge?
Die Siebengebirgs-Touristiker sind großzügiger, sie beziehen den Ennert und vor allem die Region Unkel und Erpel mit ein. Und da gibt es dann doch schon wieder einen Grenzkonflikt mit dem Naturpark Westerwald, denn seit langen Zeiten gibt es dunkle Gesellen, die das Siebengebirge einfach in den Westerwald verorten, wie es auch in etlichen Reiseführern der Fall ist. Das in jedem Fall grenzt an Frevel, denn das Siebengebirge ist und bleibt eine eigenständige Landschaft, die vielseitiger und schöner ist als die Gegenden ringsum.

Naturräumliche Gliederung Deutschlands, das Siebengebirge fehlt

Die Autoren Hermann Josef Roth und Bruno P.Krämer ignorieren in ihrem Buch „Der Westerwald“, erschienen 2022 im Schweizerbart-Verlag, das Siebengebirge als eigenständige Region nahezu: auf den Übersichtskarten zum Ende des Buches wird das Siebengebirge als kleiner Teil des Westerwaldes aufgeführt. Allerdings schreiben sie in der Einleitung: „Ebenso bleibt das Siebengebirge außen vor, dessen vulkanisch geprägter Landschaft abseits von den Westerwälder vulkanischen Aktivitäten im Allgemeinen eine Eigenständigkeit zuerkannt wird und das zudem bereits zur Einbruchsstruktur der Niederrheinischen Bucht gehört“. Da gilt es also, die Grenze des Vulkanismus zwischen Siebengebirge und Westerwald zu definieren.
Politiker zu fragen, macht wenig Sinn, meist denken sie nicht landschaftskundlich, nicht geologisch und auch nicht kulturhistorisch, sondern in Verwaltungsgrenzen und Wahlkreisen.
Und nun bleibt die Frage ungeklärt, wo sind denn die Grenzen des Siebengebirges?
Fangen wir doch einmal ganz weit vorne an, vor 26 Millionen Jahren, als am östlichen Rande der Niederrheinischen Bucht Magma aufstieg und gewaltige Vulkaneruptionen vulkanische Asche kilometerhoch in die Luft schleuderten. Das Zentrum dieser Eruptionen lag nach Ansicht der Vulkanologen im Bereich des heutigen Mirbesbachtals beim Wintermühlenhof, wo die Vulkanite aus einer Caldera (einer nach der Entleerung eingestürzten Magmakammer) gefördert wurden. Die Lava bedeckte die Region zwischen Linz und Köln-Porz mit einer bis zu 200 Meter mächtigen Ascheschicht, aus der letztlich der Quarztrachyttuff des Siebengebirges entstand, den wir heute noch am Oelberg und am Ofenkaulenberg finden. Aber: wir finden den Trachyttuff auch auf der anderen Rheinseite im Drachenfelser Ländchen, sehr gut zu sehen ist er am Dächelsberg bei Oberbachem, dort liegt er scheinbar einem tertiären Basalt auf. Jedoch ist es im Drachenfelser Ländchen die gleiche Situation wie sie auch im Siebengebirge besteht, nachdem der Quarztrachyttuff (im Siebengebirge auch Ofenkaulentuff genannt) abgelagert war, drangen von unten wiederum Lavamassen nach oben und drangen blasenartig in den Tuff ein und erstarrten dort zu Basalt, Latit und Trachyt. Geologisch brachtet gehören die Vulkanite des Drachenfelser Ländchen (Dächelsberg, Stumpeberg, Hohenberg, die Basaltkegel, auf denen die Godesburg und der Rolandsbogen stehen wie auch andere Vulkanitintrusionen) zum Siebengebirgsvulkanismus. Das dort zwischendrin der Rhein fließt, hat mit dem Vulkanismus nichts zu tun und ist eher zufällig, zumal es seinerzeit den Rhein in seiner heutigen Form noch gar nicht gab. Die Ausdehnung dieser Tuffablagerungen mit den darin steckengebliebenen Subvulkaniten wäre eine Möglichkeit, die Grenzen des Siebengebirges zu definieren, jedoch ist auch das nicht möglich, da der Tuff im Laufe der Jahrmillionen überwiegend abgetragen wurde. Das einzig richtige Fazit aus diesen Betrachtungen unter vulkanologischen Aspekten müsste sein, dass das Drachenfelser Ländchen auf den gegenüberliegenden Rheinseite dem Siebengebirge zuzurechnen ist, Landkarten müssten neu gezeichnet werden.

Verbreitungsgebiet der Trachyttuffe (Zeichnung Winfried Leischner)

Karte aus dem Geoportal NRW, Lizenz www.govdata.de/dl-de/bv-2-0
Kartendarstellung und Präsentationsgraphiken: © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2022, Datenquellen: https://sg.geodatenzentrum.de/web_public/gdz/datenquellen/Datenquellen_TopPlusOpen.html

Der bei Niederbachem gelegene Rodderberg gehört nicht zum Siebengebirgsvulkanismus. Seine Ausbrüche erfolgten vor 800.000 und vor 300.000 Jahren, er ist vielmehr ein nördlicher Ausläufer des Osteifelvulkanismus rund um den Laacher See-Vulkan.

Werfen wir einen Blick das „Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands“, das allgemein für derartige Fragestellungen als verbindlich gilt. Als Teil des Unteren Mittelrheingebietes (292) stoßen wir dort auf das Siebengebirge (292.4), das hier jedoch in nach meiner Meinung nach unzulässiger Weise auf einen kleinen Kernbereich beschränkt wird und nach Süden hin etwa im Schmelztal endet. Leyberg, Himmerich und Mittelberg werden hier dem Niederwesterwald zugeordnet, ebenso wird im Norden der Ennert dem Pleiser Hügelland zugeteilt.

Auch der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz nimmt das Siebengebirge als eigenständige Landschaft nicht zur Kenntnis. In dem 550-seitigen Werk „Urgeschichte im Rheinland“ (2005) werden die Naturräume gegliedert, da gibt es den Westerwald, das Bergisch-Sauerländische Gebirge und das Mittelrheingebiet, das Siebengebirge jedoch wird weder in der Übersichtskarte noch in den erläuternden Texten zur naturräumlichen Gliederung auch nur erwähnt. Es kann nur vermutet werden, dass der RVDL das Siebengebirge als kleinen Teil des Niederwesterwaldes betrachtet.

Das kann auch nicht im Sinne der Siebengebirgs-Touristiker in Königswinter sein, die sich nicht auf so ein kleines Fleckchen Erde beschränken wollen und touristisch den Ennert, das Pleiser Hügelland, den Oberhau und auch das Gebiet südlich des Schmelztals bis zur Erpeler Ley mitnehmen und den Oberbegriff Siebengebirge verwenden, da nur der überregionale Strahlkraft besitzt. Das erscheint vernünftig, denn das Siebengebirge kann nicht nur als Naturlandschaft, sondern muss auch als Kulturlandschaft betrachtet werden und diese Region ist größer als nur der zentrale Bereich. Und touristisch betrachtet: wer hat schon jemals vom Ennert gehört und würde denken, dort gar eine Reise hinmachen zu können?
Kulturlandschaft ist von Menschen gemacht. Werfen wir einen Blick auf die Kulturlandschaft Siebengebirge, ob hier weitere Hinweise auf die Grenzen des Siebengebirges zu finden sind.
Das Siebengebirge zeigt sich von weitem tatsächlich als eine Hügellandschaft, die sich vom Umland abhebt, wie der Blick aus Köln zeigt, hier aus einem Riesenrad am Rheinauhafen. Tatsächlich erkennen wir in der Silhouette sieben Gipfel, schauen wir von südlich von Bonn auf das Siebengebirge, so bietet die Silhouette ebenfalls sieben Gipfel, wenn auch andere. Wer in früheren Zeiten über das Siebengebirge sprach und zum Horizont blicke, sah dort sieben Gipfel, so dass der Name aus dieser Sicht begründet ist.

Im Rheinbuch des Münsteraner Prälaten Bernhard Mollerus aus dem Jahre 1570 findet sich für das Siebengebirge der Begriff „Septem Montes“, vorher kannte man diesen Begriff nur aus Rom, der Stadt auf den Sieben Hügeln. Es ist allerdings sehr fraglich, ob sich dieser Begriff dank der sieben Gipfel am Horizont eingebürgert hat. Wahrscheinlicher ist es, dass nicht Zahl Sieben gemeint ist, sondern dass Sieben hier einfach einen Mengenbegriff darstellt: Sieben für „ziemlich und unübersichtlich viel“. Das Siebengebirge hat nicht nur 7 sondern 49 Gipfel, mache ziemlich klein, manche dominant und groß, gemeint war einfach das Land mit den vielen Bergen, die die Menschen damals nicht genau zählen konnten. Der Mengenbegriff Sieben tauchte früher des Öfteren auf, sei es in den „Siebensachen“, die man doch packen möge, oder bei den Siebenmeilenstiefeln, mit denen man weit unterwegs ist oder auch im Wort „Siebenschlau“, einem Besserwisser, der immer alles weiß.
Auf alten Karten des Rheinlaufes vom 16. Bis ins 18.Jahrhundert wird das Siebengebirge nicht erwähnt, eingezeichnet und benannt sind lediglich einzelne Namen der Berge wie Drakenfels, Lewenburg oder Wolckenburg. Die Bewohner der Region verwandten damals in Dokumenten wie Pachtverträgen die Namen einzelner Berge, fassten sie aber nicht zu einer Einheit, dem Siebengebirge zusammen. Es darf deshalb vermutet werden, das nicht die Bewohner der Landschaft diesen Namen vergaben, sondern dass er von Fremden, die das Siebengebirge von weitem sahen und diese Vielzahl an Gipfeln als eine Einheit wahrnahmen, wie es das Foto oben zeigt.
Erst mit dem 18.Jahrhundert tauchen in Dokumenten erstmals passende Bezeichnungen auf. 1690 wird der Honnefer Pfarrer Franziskus Xaverius Trips als Siebengebirgspfarrer bezeichnet (pastore septimontano in Honneff).
1776 finden wir im „Rheinischen Antquarius – oder: ausführliche Beschreibung des Rheinstroms““ von Johann Hermann Dielhelm den Sammelnamen „Siebengebürge“ oder auch „Sevengebergte“. Zumindest im Rheinland waren diese Begriffe mittlerweile wohl bekannt.
1792 wird der Rechenmeister Adrian der Kurfürstlichen Druckerei zu Bonn als „der bei den sieben Bergen am Rhein wohnende Rechenmeister“ bezeichnet.

Im 18.Jahrhundert war das Siebengebirge Inbegriff der Rheinromantik, wohlhabende Reisende vor allem auf Großbritannien fuhren auf Schiffen den Rhein entlang. Bildliche Darstellungen, wie sie vor allem im Siebengebirgsmuseum zu betrachten sind, zeigen eine wilde Landschaft rechts und links des Rheins mit stark überhöhten Bergen auf den Burgen und Burgruinen thronen. Im Wald und auf den Felsen lauern Ungeheuer, Gespenster und natürlich Drachen. Abenteuer werden dargestellt, die diese Landschaft durchwandern, Maler und Dichter sitzen auf den Felsen und blicken auf den Rhein. Diese Landschaft endet nördlich des Ennert, setzt sich auch südlich im Westerwald nicht mehr fort und darf in etwa der Landschaft entsprechen, die wir auf dem Foto von Köln aus sehen, einige kleine Berge und rechts und links davon ist es flach.
Die Grenzen des Siebengebirges sind nicht genau zu definieren und auch nicht mit einer Linie in die Karte einzuzeichnen. Das Siebengebirge definiert sich durch seinen spektakulären Kernbereich mit Oelberg, Drachenfels, Petersberg, Wolkenburg, Lohrberg und Breiberg und geht in seinen Randbereichen sanft in andere Landschaften über – wie es für Naturräume vom Grunde her üblich ist. Es darf jedoch festgehalten werden, dass das Siebengebirge von verschiedenen Seiten nicht als vollwertige Landschaft zu Kenntnis genommen wird, was zu verbessern ist.

(Für zahlreiche Hinweise danke ich Oliver Bremm und Klaus Breuer)

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